Karte mit der Tafel 5 und dem Weg über den Fuß- und Radweg an der Nieste bis zu Tafel 6 am Sportplatz.

    5 | Wald und Eisenhammerwerk

    Tafel 5 | zu finden am Fuß- und Radweg an der Nieste gegenüber der Niestetalstraße 36

    Frühere Waldnutzung, Hute, Mast und Försterei

    Holz war eine der wichtigsten Rohstoffe der Vergangenheit. Das Holz wurde für den Bau genutzt, zum Wärmen, Kochen, zur Werkzeugherstellung. Baustoffe, wie Beton und Stahl, sowie Wärmeerzeuger, wie Gas, Öl oder Strom, existierten in 800 Jahren der 900-jährigen Dorfgeschichte nicht. Aber auch die Wild- und Zuchttiere waren auf die Waldflächen (Huteflächen) angewiesen. Etwa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mussten Kühe, Schafe, Ziegen und Schweine auf Waldhuteflächen zusätzliches Futter finden, da bis dahin auf Wiesen und Feldern nicht genügend erzeugt wurde. Sowohl der Gemeindewald am Viehberg und am Rüsteberg, als auch die herrschaftlichen Wälder am Mühlenberg sowie am Sommerberg durften damals für den Zweck der Hute beweidet werden. Morgens trieben die Kuh-, Ziegen- und Schweinehirten die Tiere im Ort zusammen. Sie zogen dann mit ihren kleinen Herden los, um die Huteflächen der Gemarkung zu nutzen. 

    Für den Forst Mühlenberg gab es zum Beispiel ein seit Jahrhunderten geregeltes Huterecht und festgesetzte Hutezeiten, einschließlich Regeln für die Herbstmast (mästen der Tiere). Die Regularien sind in der „Beschreibung und Ertragsberechnung des Forstreviers Rottebreite“ von 1823 niedergeschrieben. So durften die Heiligenröder die spezielle Kuh-Hute in verschiedenen Distrikten des Mühlenbergs nur vom Frühjahr bis Egidii (1. September) ausüben. Die Zeiträume konnten auch verändert werden, wenn dies mit dem Leiter des kurhessischen Forstreviers Rottebreite vereinbart wurde. 

    Revierkarte des Forstes bei Heiligenrode 1887.

    Auf der 1887 entstandenen Wirtschaftskarte der „Königlich preußischen Oberförsterei Rottebreite“ sind die genannten Waldorte und Distrikte und Abteilungen zu finden, die zur Hute von einheimischen Hirten genutzt wurden. @unbekannt

    Hinsichtlich der Herbstmast mit Eicheln und Bucheckern galten die Mastordnungen schon seit dem Mittelalter. Sie legten u. a. die Zeiten des Eintriebs, die Zahl der Schweine und die Aufsicht durch Hirten fest. Flächen zur Schweinehute besaß Heiligenrode nicht, sondern nur eine Ruhestätte „unter den ersten Bäumen“  am westlichen Winterlieths-Kopf (in der Nähe des Wanderparkplatzes Mühlenberg). So war man vorzugsweise auf die Distrikte am Mühlenberg und Sommerberg (rechts des Rüstebergs in Richtung Uschlag), angewiesen, weil damals nur dort die begehrten Eicheln und Bucheckern zu erwarten waren, die die Tiere gerne aßen und sich gut zur Mast eigneten. Das Vorwerk Sensenstein (die landwirtschaftlichen Flächen der Brurg Sensenstein) und der Hof Windhausen hatten zudem Schafhute im östlichen Teil des Mühlenberges und auch den hannoverschen Dörfern Uschlag und Dahlheim standen verschiedene Huterechte am Mühlenberg zu. Die jahrhundetren alten Regelungen betrafen auch das beiderseits der Grenze liegende und gemeinsam genutzte „Gemengeland“. Die Vorschriften überwachte ein Forstläufer, der in Heiligenrode wohnte. Auch den Forstschutz übte er in seinem Forstdienstbezirk aus und war dem Forstaufseher vom Forsthaus Buntebock bei Nieste unterstellt.

      Nutzhölzer, wie das Eichenholz, waren in der ganzen Region knapp und für die Bauwirtschaft wichtig. Soweit es möglich war, erfolgte die Entnahme in den Waldbeständen des Ur-Kaufunger Waldes. Die Versorgung mit Brennholz hieß damals „Beholzigung“. Dieses Recht hatte nicht nur die Gemeinde Heiligenrode, sondern auch benachbarte Dörfer. Für sämtliche Abnahmen mussten die Einheimischen, die von der Herrschaft vorgeschriebenen Taxpreise bezahlen (noch heute ist tax das englische Wort für Steuern). Als weiteres Recht durften an 2 Tagen pro Woche „Raff - und Leseholz, jedoch ohne Anwendung schneidender oder hauender Werkzeuge“ gesammelt und abgeholt werden. Das bedeutet, dass es erlaubt war Stöcke und Reisigzweige umsonst mitzunehmen, jedoch nur, wenn sie als Totholz aufgelesen und nicht geschnitten werden konnten. Eine weitere Verpflichtung war die Abgabe der erforderlichen Naturaliensteuern (Accidenz) für das forstliche Personal:

      • jeder Ackermann (Bauer) musste 1 Bund Stroh und 1 Raude Flachs (Leinenfasern) abgeben
      • jeder Auszüger eines Ackermannes („Neubauer“) ½ Bund Stroh und ½ Raude Flachs 
      • jeder Köthner (Mensch mit geringem Landbesitz) 1 Raude Flachs
      • jeder Beisitzer ½ Raude Flachs 

      Zusätzlich muss jeder an der Mast beteiligte Einwohner, an den Revierförster eine Wurst als Accidenz zahlen und die Gemeinde musste für seine Mahlzeit aufkommen sowie für sein Pferd einen Sack Hafer bereitstellen. Nach der Eingliederung Kurhessens in das Königreich Preußen ab 1866 wurden die Rechte auf Herbstmast, Waldhute und Streunutzung schrittweise aufgehoben. Die Haltung und Fütterung der Nutztiere in Ställen bei gleichzeitigem Einsatz von Mineraldüngern (etwa 1860 bis1870) brachte deutlich höhere Ernteerträge und damit auch Stroh als Einstreu für die heimischen Höfe. So konnten diese für die Entstehung und die Wuchsleistung der Waldbestände schädlichen Maßnahmen der externen Huteflächen endlich eingestellt werden.

      Vor dem 1. Weltkrieg gab es in Heiligenrode lediglich einen Forstaufseher oder Forstläufer. Er war Hilfskraft im Forstschutz. Erst ab 1918 wohnte ein Revierförster im neuen Forsthaus in Heiligenrode (an der Niestetalstraße in Richtung Uschlag). Vorher befand sich der Dienstsitz des für die Wälder in den Gemeinden Heiligenrode und Sandershausen zuständigen Forstbeamten in der „Försterei Zollhaus“ (an der Landstraße von Sandershausen nach Landwehrhagen). Nach weiteren Umstrukturierungen der Forstreviere ab 2004 verlor auch das Forsthaus in Heiligenrode seine Funktion als Dienstsitz des Forstrevierleiters und wurde deshalb an Privatleute verkauft. Heute untersteht Niestetal der Revierförsterei Kaufungen.

      Das alte Recht auf Raff- und Leseholz aus dem Staatswald hatte sogar schlechte Auswirkungen auf den Wald. So waren später Waldbesitzer und ihre Forstleute bemüht, in den Waldbeständen die Bio-Masse anzureichern, um so den Humusanteil im Oberboden zur Verbesserung der Bodenqualität zu erhöhen. Bekanntlich hatten die Entnahme von Laub- und Nadelstreu in früheren Jahrhunderten auf vielen Waldstandorten die Böden verschlechtert. Durch das „Beholzigungsrecht“, später "Losholzrecht" konnte die Gemeinde Niestetal noch bis 2007 für Haushalte in Sandershausen und  Heiligenrode etwa 300 Raummeter Holz kostengünstig aus dem hessischen Staatswald beziehen. 

      Das eisenhammerwerk

      1594 beantragten die beiden Kasseler Bürger Kraußkopf und Steinmann ein Eisenhammerwerk in Heiligenrode. Die wassereiche Nieste durfte nach der Genehmigung als Kraftspender benutzt werden, doch dafür waren jährlich 2 Gulden (ein Vermögen) Grundzins zu entrichten. Außerdem behielt sich der Landgraf das Vorkaufsrecht über die hergestellten Erzeugnisse vor. Denn in einem Eisenhammerwerk wurde wertvolles Schmiedeeisen hergestellt, das zur Weiterverarbeitung in Werkzeug und andere Gebrauchsgüter diente. Um den Betrieb am Laufen zu halten brauchte es auch eine Köhlerei zur Kohleherstellung und genügen Brennholz als Nachschub. Bald gab es aber Schwierigkeiten wegen der immens hohen Holzmenge, die zum Betrieb nötig war. Die landgräfliche Regierung musste eingreifen und befahl, dass nicht das geringste Holz oder Kohlen, die für Kassel oder die umliegenden Dörfer vorbestimmt waren, vom Hammerwerk aufgekauft werden dürften. Vermutlich litt die Versorgung der Bevölkerung mit Brennholz unter dem großen Bedarf des Eisenhammerwerkes. Die umständliche Arbeitsmethode des Herankarrens des Erzes über die Fulda und Pferdewagen, aber auch die Schwierigkeiten bei der Heizmaterialbeschaffung dürften dazu beigetragen haben, dass die Eisenschmelzhütte nicht sehr lange in Heiligenrode bestehen konnte. Bereits 1610 gibt es keine Zeugnisse mehr von der einst hier ansässigen Schwerindustrie. Zum Eisenhammerwerk gehörte neben der Eisenhütte und der Holzbeschaffung auch ein Eisenbergwerk. Dieses wurde 1993 von Herrn Sippel am unteren Nord-Hang des Geroldsberges zwischen Heiligenrode und Uschlag lokalisiert. Das Gebiet zieht sich noch ca. 400m weiter nach Nordwesten bis zu einem kleinen Taleinschnitt, dem Hahnebaumsgraben. Die Eisenhütte selbst wurde in der Flur „Beim Kesselgraben“ lokalisiert. Hier wurden in dem zur Nieste fließenden Bachlauf Eisenschlacken der Produktionsstätte entdeckt. 

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      Eine alte Revierkarte des Gutes Ellenbach (aus vlt. 
      1667 oder 1726) zeigt zudem am Rand, nahe der Nieste, die Flur "Der Eisenhamer". Diese Flur liegt am Sommerberg, in Richtung Uschlag und verläuft von Süden nach Norden. Nebenbei ist die alte Straße von Sandershausen (durch die Gemarkungsgrenzen von Heiligenrode) nach Uschlag zu erkennen, was früher noch Auschlacht hieß.
      @Stadt Göttingen bzw. Landesarchiv Niedersachen

      der letzte feldhüter

      Zu erwähnen bleibt noch der letzte bekannte Feldhüter Heiligenrodes, Eduard Zuschlag. Durch Kriegsumstände wurde Herr Zuschlag zum Frührentner mit einer geringen Rente. Die reichte oft nicht aus, um die Familie zu ernähren und sich über Wasser zu halten. Daher trug ihm der Bürgermeister das Amt des Feldhüters auf. Bei seinen Rundgängen hatte er mit seinen wachsamen Augen auch die privaten Gärten im Blick. Denn auch diese wurden bisweilen von Dieben heimgesucht. Gerade nach dem 2. Weltkrieg war die Not der Menschen groß. Die Lebensmittel waren knapp, vor allem in der zerstörten Stadt Kassel. Daher kam es immer wieder zu Problemen. Denn auf dem Land wurden an jeder geeigneten Stelle Lebensmittel zum Eigenbedarf angebaut. Doch immer wieder gab es Menschen, zum Teil aus dem Ort, vor allem aber aus dem angrenzenden und hungernden Kassel, die auf illegale Weise ihren Bedarf von Lebensmittel aufbessern wollten. In diesen Situationen war der Feldhüter gefordert. Er achtete darauf, dass nichts entwendet wurde, z.B. beim Ährensammeln. Der Hüter zog von morgens bis abends seine Runden über Feld und Flur. Er wusste, wo und an welchem Tag geerntet wurde, und so plante er seine Rundgänge und Fahrten mit dem Fahrrad entlang der wichtigen Stellen im Ort. Doch auch andere Aufgaben oblagen seiner Tätigkeit. Besonders in den ersten Nachkriegsjahren wurde in den umliegenden Wäldern häufig Losholz und Nadelholz gestohlen. Nadelgehölz vor allem für die Beheizung in den Wintermonaten. So war auch in den Wäldern ein wachsamer Feldhüter erforderlich. Ganz ungefährlich war dieser Aufgabenbereich nicht. Darum hatte Herr Zuschlag bei seinen Rundgängen immer seinen Schäferhund Rolf dabei. Auch, wenn der Hund eine ruhige Natur innehatte, rettete er dem Hüter doch mindestens einmal das Leben. Die Tochter Herr Zuschlags hat dazu folgendes berichtet. Bei einem Rundgang durch die Wälder in der Nähe von Windhausen musste Herr Zuschlag alle überprüfen, die mit dem Auto im Wald unterwegs waren. Hatten sie einen Berechtigungsschein von der Gemeinde oder vom Forstamt für eine Holzabfuhr, war alles in Ordnung. Doch einmal geschah es, dass ein Fahrer, der angehalten wurde, sofort eine Axt zog und mit dieser auf den Feldhüter losging. Zum Glück ging der Hund augenblicklich dazwischen und verteidigte sein Herrchen gegen den wild gewordenen Angreifer. Herr Zuschlag war etwa 3 Jahre Feldhüter in Heiligenrode. Dafür erhielt er 50,- Mark im Monat, die ihm halfen über die Runden zu kommen. 

      Feldarbeit, Kartoffelernte in der Nachkriegszeit.Hier wird die Kartoffelernte von einer Hand voll Frauen eingefahren. Die Kartoffeln waren wichtige Lebensgrundlage und begehrt bei der hungernden Bevölkerung aus Kassel in der Nachkriegszeit. Daher war ein Feldhüter wichtig, um den Überblick über die im Ort angebauten und geernteten Lebensmittel zu haben. @Gemeinde Niestetal

      N' Anekdötchen

      Wer in Heiligenrode vom Wald sprach, benutzte oft den mundartlichen Begriff „Hecke“. Deshalb wurden die etwa sechs bis acht Heiligenröder Kulturfrauen „Heckenfrauen“ genannt. Häufig waren sie junge Frauen oder Witwen, die in der Revierförsterei Heiligenrode ab dem Frühjahr als Saisonarbeiterinnen Pflanzungen ausführten, junge Bäume als auch die Forstkulturen pflegten und vor Wildverbiss schützten. Dieser Beruf wurde noch bis in die 1970er Jahre betrieben.

      Auch einige Landwirte konnten sich bis etwa 1970, durch Transporte verschiedenster Holzsortimente, zusätzliches Einkommen schaffen. Um sich gegenseitig im schwierigen Waldgelände helfen zu können, fuhren sie meistens zu mehreren los. Lediglich der Bauer Fieberling besaß einen Langholzwagen, der für über 20 Meter lange Fichtenstämme geeignet war. Andere Landwirte lieferten u. a. kürzere Eichen- und Buchenstämme zu den Sägewerken Riffer in Oberkaufungen, Schölch in Kassel-Bettenhausen und Rüttgerodt in Uschlag. Auch der Bahnhof in Bettenhausen wurde mit Holz aus unserer Gemarkung beliefert.  Eine Besonderheit, neben Papier, Spanplatten oder auch Stützpfeiler für Bergwerke, stammen auch Schwellenhölzer für die Bahn aus dem Waldbestand am Mühlenberg. 

      ► Der weitere Weg führt Sie links den Fuß- und Radweg an der Nieste entlang, vorbei am alten Sportplatz, dem mittlerweile von der Natur zurückeroberten Wald-Freibad und dem neben ihm aufragendem Viehberg. Die nächste Tafel entdecken Sie am Ende des Weges am Eingang zum Sportplatz.

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